Preisträgerin 2025:
Shulamit Volkov

Der Meyer-Struckmann-Preis, der im Jahr 2025 für das Themenfeld Antisemitismusforschung ausgeschrieben worden war, ging an die Historikerin Shulamit Volkov.


Shulamit Volkov Als (inzwischen emeritierte) Professorin für Neuere Geschichte an der Universität Tel Aviv und Mitglied der Israelischen Akademie der Wissenschaften hat Shulamit Volkov mit ihrem umfangreichen und wegweisenden Werk die Erforschung des Antisemitismus entscheidend geprägt. Seit den 1970er Jahren zählt Volkov zu den international einflussreichsten Stimmen der Antisemitismusforschung.

Shulamit Volkovs Konzeption des Antisemi­tismus als "kulturellem Code" (zuerst im Leo Baeck Institute Year Book 1978) gilt bis heute als theoretischer Meilenstein. In zahlreichen Monographien und Aufsätzen verbindet sie historische Tiefenschärfe mit analytischer Originalität. Besonders hervorzuheben ist Volkovs Fähigkeit, deutsche, jüdische und europäische Geschichte miteinander zu verweben und Antisemitismus im Kontext gesellschaftlicher Modernisierungsprozesse, nationalistischer Ideologien und kultureller Identitätskämpfe zu analysieren.

Shulamit Volkov ist Professorin (Emerita) für Neuere Europäischen Geschichte an der Universität Tel Aviv, Israel, und Mitglied der Israelischen Akademie der Wissenschaften. Sie ist zudem ehemalige Leiterin des Instituts für Deutsche Geschichte und Direktorin a.D. der Schule für Geschichte an der Universität Tel Aviv, Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin und am Historischen Kolleg in München sowie Gastprofessorin an verschiedenen Universitäten in Europa und den USA. Sie veröffentlichte Bücher, Aufsätze und Essaybände zur deutschen Sozialgeschichte, deutsch-jüdischen Geschichte und zum Antisemitismus sowie zu Aspekten der Aufklärung und zur Historiographie des Nationalsozialismus.

Im Jahr 2022 erschien im Beck Verlag, München, ihr Buch "Deutschland aus jüdischer Sicht. Eine andere Geschichte vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart". Im Jahr 2023 erschien im Verlag De Gruyter, Berlin, ihre Essaysammlung "Interpreting Antisemitism. Studies and Essays on the German Case".


Preisverleihung

Der Meyer-Struckmann-Preis wurde am 29. Oktober 2025 im Rahmen eines Festaktes von dem Vorsitzenden der Meyer-Struckmann-Stiftung und der Dekanin der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf verliehen.

Preisverleihung


Prof. Dr. Ulli Seegers, Dekanin der Philosophischen Fakultät, Prof. Dr. Justus Haucap, Vorsitzender der Meyer-Struckmann-Stiftung, Preisträgerin Prof. Dr. Shulamit Volkov und Prof. Dr. Anja Steinbeck, Rektorin der Heinrich-Heine-Universität (v.li.) (Foto: Sabrina Weniger).


"Dankbarkeit empfinden wir für ein Lebenswerk, das sich in überaus zahlreichen, wegweisenden Veröffentlichungen ebenso niederschlägt wie im prägenden Umgang einer den Menschen zugewandten Forscherin und Lehrerin mit vielen, vielen Schülerinnen und Schülern, Kolleginnen und Kollegen und anderen Wegbegleitern", so Laudator Prof. i.R. Dr. Stefan Rohrbacher vom Institut für Jüdische Studien der HHU. In ihren Aufsätzen zeige sich die Preisträgerin als eine Meisterin des Essays und führe anschaulich vor Augen, wie nach dem Verständnis der Autorin Geschichte immer wieder neu zu schrieben sei und "was von der Vorstellung eines 'deutschen Sonderweges' zu halten ist oder gar von der eines ewig sich gleich bleibenden Judenhasses, wie sie mehr oder weniger wissenschaftlich propagiert wurde".

Shulamit Volkov warf in ihrer Rede einen Blick zurück auf die mittelalterliche Theologie bis zur Moderne und machte die dauerhafte Spannung zwischen aufklärerischer Toleranz und fortbestehendem Antisemitismus in Deutschland deutlich. Das Judentum und die Verhältnisse zwischen Juden und Christen seien immer ein Thema des gelehrten geisteswissenschaftlichen Diskurses gewesen.

Die Preisträgerin betonte den immer wiederkehrenden "Zick-Zack-Kurs in der Behandlung der sogenannten 'Judenfrage unter den Gelehrten. "Mal schienen solche, die die Gleichstellung der Juden unterstützen, die Oberhand zu haben; mal die Opposition". Im Zuge der Verbreitung der Rassentheorien, hätten schlussendlich die Naturwissenschaften schrittweise die Deutungshoheit über den Diskurs übernommen "und für die Nazis gab es schließlich keine Ambivalenz".

Mit einem Blick auf die Kontroverse nach der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an den Schriftsteller Martin Walser im Jahr 1998 und damit auf die jüngere Geschichte resümierte Volkov, dass nach einem Jahrhundert des Ringens um die jüdische Emanzipation "die Gesellschaft des jungen Kaiserreiches den Streit um den Antisemitismus vielleicht besser verstanden [hat], als die bundesrepublikanische Öffentlichkeit nach den ereignisvollen Jahren von Nazismus und Krieg, Kommunismus und politischer Teilung. – Die nächste Erprobung läuft noch jetzt, und ihr Ende ist noch nicht in Sicht".

Pressemitteilung auf der Website der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf


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